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Entführung Kriemhilds, Holzschnitt (VII), 1527.
Das "Seyfridslied" ist nicht unbedingt ein Highlight der mittelalterlichen Dichtkunst, der Stil ist eher grob, uneinheitlich und die Geschichte ist in sich auch widersprüchlich.
Aber, und das macht dieses Lied so bedeutsam, es ist genau die Version der Sage, von der wir wissen, dass sie im ausgehenden Mittelalter bekannt war.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es eine verschwommene Geschichte aus dem Dunkel der Zeit, welche durch uns unbekannte Lieder der Bauern tradiert wurde. Gegen Ende des 15. Jh. schließlich wurde diese Geschichte in eine Form gegossen und 1520 erschien im Anhang der Straßburger Ausgabe des Heldenbuchs erstmals die "Historie des hürnen Seyfrid" (Der Druck geht vermutlich auf eine verschollene Handschrift des Jahres 1479 zurück).
Obwohl das Lied knapp 300 Jahre nach dem Nibelungenlied niedergeschrieben wurde, ist es "kein Zeugnis der Nibelungenlied-Rezeption, denn der Text enthält gerade Züge, die in dem Nibelungenlied nicht vorkommen, sondern mit der nordischen Sagengestaltung übereinstimmen" (Schulze).
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Für das Früh- und Hochmittelalter fehlen uns leider die Angaben zum Stand der mündlichen Überlieferung. Erst die Chroniken des Spätmittelalters vermitteln uns eine massive Verbreitung dieser Seyfridtradition.
Dem Nibelungenlied war eine vergleichsweise kurze Blütezeit beschert.
"Hie ficht Sewfrid auff dem Steyn mit dem Trachen"
Lied vom Hürnen Sewfrid, Holzschnitt Tafel XXI, 1527
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Leider kennen wir nicht den genauen Stand der Überlieferung, denn viele Lieder dieser Zeit sind verschollen und viele Geschichten, die z.T. nur mündlich weitergegeben wurden, sind für immer verloren.
Um so wertvoller erscheint uns jenes Seyfridlied, welches ich hier kurz zusammenfassen möchte:
Unser Held, der seine königliche Abstammung nicht kennt, geht bei einem Schmied in die Lehre. Als sich dieser von der unheimlichen Macht Seyfrids entledigen möchte, (er zerschlägt u.a. den Amboss) schickt er ihn in den Wald, in der Hoffnung der dort lebende Drache wird ihn töten. Seyfrid trifft auch auf den Drachen, tötet ihn kurzerhand und brät ihn, um seinen unbändigen Hunger zu stillen. Dabei stellt er fest, dass die Stellen seiner Haut, die mit dem Drachenblut in Kontakt kommen unverwundbar werden. Daraufhin schmiert er seinen ganzen Körper mit dem Blut ein, nur die Stelle zwischen den Schultern erreicht er nicht und dort bleibt er verwundbar.
Seyfrid kehrt zurück, erschlägt den verräterischen Schmied und zieht weiter nach Worms. Hier erfährt er, dass ein Drache die Königstochter Krimhild vier Jahre zuvor entführt hat und seitdem gefangen hält (alle fünf Jahre zu Ostern verwandelt sich das Untier übrigens in einen Mann). Mit Hilfe eines Zwergenkönigs gelingt es Seyfrid den Drachenfels aufzufinden. Zunächst gilt es nun den Riesen Kuperan zu bezwingen. Kuperan besaß sowohl den Schlüssel zum unterirdischen Verließ als auch das Zauberschwert, mit dem man einzig in der Lage war, den Drachen zu töten.
Der Kampf mit dem Riesen Kuperan nimmt etwa ein Drittel des gesamten Liedes für sich in Anspruch. Am Ende tötet Seyfrid den Riesen, gewinnt Schlüssel und Schwert, befreit die Prinzessin und tötet den herankommenden Drachen mit seiner Schar. Der Zwergenkönig weissagt nun Seyfrid die Zukunft, seinen frühen Tod und den Untergang aller Helden. Als Seyfrid daraufhin mit Krimhild am Rhein ankommt, versenkt er dort kurz entschlossen den erworbenen Drachenhort. Manche Versionen des Seyfridliedes geben noch einen stichpunktartigen Ausblick auf die zukünftigen Ereignisse bzw. weisen auf ein - heute als verschollen geltendes - Lied hin, welches die Hochzeit von Seyfrid und Krimhild beschreibt. Seyfrids Tod ist hier nicht etwa einen Streit der Königinnen motiviert, denn Brunhild oder eine ihr vergleichbare Gestalt gibt es in diesem Lied nicht. Nach sieben Jahren wird der Held von seinen Schwägern aus purem Neid ermordet.
Interessant wird dieses Lied insbesondere dadurch, da es die Siegfriedsage in einer Art schildert, wie sie dem Nibelungenlied unbekannt ist. Auf der einen Seite enthält das Seyfridlied Elemente, die uns aus der nordischen Überlieferung bekannt sind (Gybich ist hier z.B. der Vater Kriemhilds). Andere Inhalte, wie z.B. die Entführung Krimhilds durch einen Drachen scheinen eine völlige Neuerung der Sagengestaltung darzustellen.
Dieses Element begegnet uns erstmals Anfang des 15. Jh. im Darmstädter Aventiurenverzeichnis und reicht vermutlich auch nicht viel weiter in der Zeit zurück.
"Es aß der Hochgemuthe, das Drachenherz zum Mahl"
Illustration aus: Der huernen Siegfried von G. Goerres, 1843
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Anders verhält es sich mit den Erzählsträngen, die bereits aus der nordischen Edda und diversen skandinavischen Felsritzungen bekannt sind.
Deutliche Parallelen ergeben sich bei der Betrachtung von Seyfrids bzw. Sigurds Jugend beim Schmied, der Unwissenheit seiner königlichen Abstammung, beim Drachenkampf, beim Verspeisen des Drachens bzw. elementarer Teile desselben sowie dem Horterwerb, der hier - im Gegensatz zum Nibelungenlied - noch deutlich in Zusammenhang mit dem Drachenkampf zu sehen ist.
Nun kann man sich fragen, ob die Seyfridsage, so wie sie etwa Ende des 15. Jh. vorgetragen wurde, bewusst Elemente der nordischen Überlieferung aufgenommen hat, so wie wir dies in anderer Form z.B. auch von Richard Wagner aus dem 19. Jh. kennen, oder ob wir hier noch wirklich alte Fragmente einer Sage vor uns haben, die spätestens ab dem 8./9. Jh. ihren Weg nach Norden angetreten hat.
Es spricht sicher nur wenig dafür in einem deutschen Lied des 15. Jh. nach den Ursprüngen für ein altwestnordisches Lied des 10. Jh. zu suchen. In erster Linie ist es aber eine Spurensuche, denn wir wissen, dass die nordische Sigurdsage am Rhein lokalisiert wird und der Name des genannten Schauplatzes "Verniza" könnte durchaus eine Verballhornung des alten Namens "Varmacia" für Worms sein. Wenn also die wichtigste Heldensage der Wikinger (Normannen) am Rhein spielt, sollten sich doch auch in den rheinischen Sagen Anhaltspunkte dafür finden. Könnte also das Seyfridslied nicht doch aus alten Gesängen entstanden sein, aus der auch die nordische Sigurdsage entstanden ist?
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Einer der ältesten Hinweise auf das Bekanntsein der Sigurdgeschichte im Norden ist die sogenannte Ramsund-Ritzung in Südschweden, um 1020.
Felsritzung auf dem Ramsundberg (Detail), Schweden, frühes 11..Jh.
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Mit Ausnahme eines Hundes finden alle dargestellten Elemente ihre Entsprechung in dem isländischen Lied, den Hund kennen wir aber im Zusammenhang mit dem Drachenkampf nur, d.h. ausschließlich aus dem deutschen Seyfridlied des 15. Jh. Hierin lässt sich zumindest ein Indiz für die ursprüngliche Identität der beiden Erzähltraditionen erkennen
Mitte des 13. Jh. erzählt Albrecht von Scharfenberg in "Merlin et Seifrid de Ardemont" von der königlichen Mundirosa (sie ist auf einem Berg gefangen und von einem Dornenhag umgeben), Seifrid befreit die Jungfrau ähnlich wie im Seyfridslied, indem er mit Hilfe eines Zwergen einen Riesen erlegt. Mit dieser Erzählung liegt uns eine sehr frühe Mischform des Dornröschen Märchens und der Siegfriedsagen vor.
Lesen Sie hier das Seyfrid-Lied
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