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SEYFRIDs GRAB

Ein Beitrag von Dr. Fritz Reuter

Foto: Rudolf Uhrig

Siegfrieds Grab wird in der Sagenüberlieferung nirgendwo eindeutig lokalisiert. Im Nibelungenlied heißt es in der 17. Aventiure nur, dass am Ende der Trauertage und nachdem der Gesang des letzten Gottesdienstes im Münster verhallt war, sich ein Trauerzug mit viel Volk zum Grabe des ermordeten Helden aufmachte - wohin, das bleibt offen.

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Der Dichter des Nibelungenliedes spricht stets vom "Münster", wenn er den Wormser Dom meint. Will man sich an die mittelalterliche Topographie des Dombezirks halten, so liegt es nahe, den südlich neben dem Dom gelegenen Johanniskirchhof mit dem im Nibelungenlied erwähnten Kirchhof gleichzusetzen. Aber zwingend ist das nicht. Mit den topographischen Angaben im Nibelungenlied sollte vorsichtig umgegangen werden. Der Dichter wollte keine Stadtbeschreibung geben.

Tatsächlich ist in Worms, anders als in Lorsch, die lokale Überlieferung nicht vom Nibelungenlied ausgegangen. Sie schließt mancherlei Nibelungensagen ein. 1493 ließ der Rat der Freien Stadt die Fassade der "Neuen Münze", eines Teils des Gebäudekomplexes "Münze" am Marktplatz, durch den Maler Nicolaus Nivergalt ausmalen. Nivergalt (Nivergolt) schmückte die Schaufront nach einem zeitgenössischen Bericht mit "kaiserlicher majestät, helden und andern würmern und bildern". In dem Bogengang, der die Gebäudeteile verband, wurden Knochen eines Riesen sowie eine lange Holzstange als Waffe desselben dem staunenden Publikum dargeboten. Der Riese: damit war zweifellos Siegfried gemeint. Wen überrascht es da, wenn die wunder- und wohl auch mythengläubigen Wormser das durch den Hinweis auf ein Siegfriedgrab ergänzten. Diese, vermutlich vorgeschichtliche, Anlage im Süden der Stadt erregte sogar das Interesse Kaiser Friedrichs III. Er ließ dort graben. Aber Siegfried wurde nicht gefunden.

Der Wormser Chronist Friedrich Zorn stand im späten 16. Jahrhundert alledem distanziert gegenüber. Die alten deutschen Poeten hätten viel von dem "schönen lustigen Rosengarten und Weingau oder Fruchtgau –dem Wonnegau– gedichtet, welches zum theil wahr, aber also verdunkelt, daß der, so es verstehen soll, in deutschen historiis wohl belesen sein muß, zum theil aber lauter mährlein." Kein Zweifel, dass er das auch auf Siegfrieds Grab bezog.

Eugen Kranzbühler (1870-1928), Provinzialdirektor und Kunsthistoriker, hat alle Angaben über das Siegfriedgrab zusammengetragen. Die Früchte dieser Arbeit ließ Friedrich Maria Illert 1930 posthum drucken: "Worms und die Heldensage". Darin wird neben den sagenhaften Überlieferungen auch die lange Tradition der Annäherung an geheimnisumwitterte Mythen erkennbar.

Jetzt hat sich der Künstler Eichfelder auf seine Weise des Siegfriedgrabes angenommen. Vor der Kulisse von Stadtmauer und Nibelungenmuseum möchte er es für phantasiebegabte Menschen erlebbar machen. Am ursprünglichen Ort ist das nicht mehr möglich. Da es sich aber nicht um eine puristische Rekonstruktion des Originals handelt, ist das auch nicht notwendig. Nicht wissenschaftliche Annäherung ist seine Absicht, sondern die künstlerisch gestaltete optische Vermittlung einer uralten Wormser Tradition, zurück bis zu mythischen Anfängen. Damit würde der neue "Nibelungenbereich" am Torturmplatz um eine zusätzliche Dimension erweitert. Das ist, scheint mir, ein sagenhaftes Unterfangen.

Und es öffnet der Phantasie neue Räume.

Dr. Fritz Reuter
Worms, im August 1998